Stromata - Mit und gegen den Strom
Über ein "Diktum" der Sophie Scholl
Inge Jens zitiert falsch aus dem Gedächtnis: "Es sterben so viele dafür, es wird Zeit, dass mal einer dagegen stirbt."
Richtig muss es heißen: "Es fallen so viele Menschen für dieses Regime, es ist Zeit, daß jemand dagegen fällt."
Aber in welchem Kontext wurde es gesagt, von wem überliefert?
Ich finde heraus, dass am Buch "Die weiße Rose" fast ein halbes Jahrhundert gearbeitet worden ist, dass Belege hinzukamen und wieder wegfielen, und auch Einschätzungen und Bewertungen sich im Laufe der Zeit, gerade im Buch, geändert haben. Je nachdem welche Ausgabe man zufällig liest, wird somit ein etwas anderes Bild vermittelt.
Worum geht es? Z.B. die "Perikope", wo die Heranwachsenden im Elternhaus zum ersten Mal etwas von KZs erzählt bekommen:
S. 16 (1952): "Unser Vertrauen hatte einen Riß bekommen, und die alte, frische Begeisterung wurde von quälender Enttäuschung bedrängt. War das nicht nur ein böser Traum, von dem wir am andem Morgen erwachen würden? In unseren Herzen entbrannte ein heftiger Kampf. Wir versuchten, unsere alten Ideale gegen alles, was wir erlebt und gehört hatten, zu verteidigen."
S. 18 (1993): "War aber die quälende Enttäuschung vielleicht nur ein böser Traum, von dem wir am andern Morgen erwachen würden? In unseren Herzen entbrannte ein heftiger Kampf. Wir versuchten, unsere alten Ideale gegen alles, was wir erlebt und gehört hatten, zu verteidigen."
Also nichts mehr vom früheren "Vertrauen" und "frischer Begeisterung" für die Ideale des Hitlerismus bei den Jugendlichen. Es hat ja absurde Vorwürfe gegeben, dass die Mitglieder der Weißen Rose nicht gleichsam schon von Geburt an astreine Widerstandskämpfer gewesen seien, und die Umformulierung des genannten Absatzes scheint mir eine Reaktion darauf, eine Zurücknahme des früher spontan Gesagten zu sein; die Formulierung von 1952 kommt mir ehrlicher vor.
Auch die berühmte Lichthofszene wurde im Laufe der Zeit anders formuliert, und einiges anderes mehr.